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4 interview ausgabe 3 · sommer 2022
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner
Aufgeschlossenheit für Neues und lebenslanges Lernen hält geistig fit!
Was hat Sie bewogen, Medizin zu studieren und
sich zum Facharzt für Innere Medizin auszubilden?
Das Medizinstudium mit seinen naturwissenschaftlichen
und praxisrelevanten Inhalten war einer der Beweggründe.
Warum haben Sie sich auf Geriatrie und Diabetes
spezialisiert?
Die erfreuliche Zunahme der Lebenserwartung in den
wohlhabenden Ländern hat zu einem Anstieg älterer Pati-
enten in sehr vielen medizinischen Fachbereichen geführt,
vor allem aber in der Inneren Medizin. Rund 60 % aller Di-
abetiker sind über 60 Jahre alt, damit ist der Schwerpunkt
Diabetes auch ein wichtiges Thema in der Geriatrie.
Was schränkt den Senior am meisten ein? Welcher Flüssigkeitsbedarf besteht im Alter?
In der Geriatrie spricht man von einem erfolgreichen Altern, Empfohlen wird eine Flüssigkeitszufuhr von rund 1,5 L pro
wenn die funktionellen und kognitiven Fähigkeiten und damit Tag, das entspricht ca 30-40 ml/kg Körpergewicht (Normal-
die Selbständigkeit größtmöglich erhalten bleiben. Im Alltag gewicht) pro Tag. 2/3 des Flüssigkeitsbedarfs werden durch
bedeutet dies, dass Verminderungen in der Beweglichkeit und Getränke, 1/3 durch Nahrung gedeckt. Ein hohes Risiko für
die Demenzerkrankung zu den Haupteinschränkungen füh- eine Dehydratation besteht dehsalb bei geringer Nahrungs-
ren können. Sehverschlechterungen und Höreinschränkungen aufnahme. Bei hohen Außentemperaturen, Fieber, Durchfall
tragen, wie auch die Reduktion der Muskelmasse und die Ar- oder unter Medikamenten kann ein erhöhter Flüssigkeits-
throse der Gelenke, wesentlich zur Verschlechterung der funk- bedarf entstehen. Bei Herz- oder Nierenerkrankungen bzw.
tionellen Fähigkeiten und einem erhöhten Sturzrisiko bei. bei Medikamenten sollte die Flüssigkeitszufuhr mit den be-
handelnden Ärzten besprochen werden.
Die Demenzerkrankung stellt eine große Sehr empfehlenswert ist ein sogenanntes Trinkprotokoll
Herausforderung dar, welche möglichen Hilfen gibt es? bzw. eine gefüllte Thermoskanne aufzustellen, um damit an
Wichtige Maßnahmen zur Demenzprävention sind ein das Trinken erinnert zu werden.
gesunder Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewe- Welche Form der Bewegung ist zu empfehlen?
gung, die konsequente Therapie von Bluthochdruck, Fett-
stoffwechselstörungen und Diabetes, der Ausgleich von Für ältere gesunde Erwachsene gelten die Empfehlungen an
Seh- und Hörminderungen (Hörgerät), lebenslanges Lernen 2 oder mehr Tagen in der Woche muskelkräftigende Übun-
und Sozialkontakte. gen durchzuführen (Widerstandstraining, z.B. mit Gewich-
ten), zusätzlich 150-300 Minuten (2,5 bis 5 Stunden) pro Wo-
Was versteht man unter gesunder Ernährung che ausdauerorientierte Bewegung (Wandern, Radfahren)
im Alter? und ein Balancetraining zur Reduktion des Sturzrisikos. Vor
Betagte Menschen weisen ein erhöhtes Risiko für eine Man- einem Trainingsprogramm bitte mit der Ärztin/dem Arzt
gelernährung auf, die ihrerseits den altersassoziierten Abbau die Situation zu besprechen.
von Muskelmasse, Muskelkraft und Beweglichkeit (Sarko-
penie) fördert. Ältere Menschen benötigen eine hochquali- Eigenschaften, die alle Langlebigen
tative Ernährung mit ausreichender Proteinzufuhr (Fleisch, auszeichnen
Fisch, Milchprodukte), Vitaminen und Mineralstoffen. Angeführt wird dabei von vielen hochbetagten Menschen
eine optimistische Lebenseinstellung, Zuversicht und Resi-
Als Besonderheit im höheren Lebensalter ist neben der be- lienz (=gute Stressbewältigung), Mässigkeit und gute sozi-
einträchtigten Durstwahrnehmung auch eine Verminde- ale Kontakte, häufig generationsübergreifend. Aufgeschlos-
rung des Appetits möglich. Eine Gewichtsabnahme wird senheit für neue Entwicklungen und lebenslanges Lernen
deshalb schwer wieder aufgeholt. hält geistig fit.