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4                                         interview                             ausgabe 2 · frühjahr 2022                                     ausgabe 2 · frühjahr 2022                  interview                                                 5






                                                                                                                                           Ich hatte auch die Ehre, Angehörige von vertriebenen Juden  schon alle drei Kinder. Wir wohnten in der Glockengießerei
                                                                                                                                           unser  Innsbruck  zu  zeigen.  Gerade  die  Kombination  von  im 1. Stock. Gäste, die zum Glockenguss gekommen sind,
                                                                                                                                           einer beeindruckenden Stadt und die Nähe der imposanten  habe ich immer bewirtet und sie durch die Stadt geführt.
                                                                                                                                           Berge hat die Besucher immer fasziniert. Unter den Gästen  Mein Mann Christof und ich werden dieses Jahr unseren
                                                                                                                                           waren div. Bundespräsidenten wie Waldheim, Klestil und  60. Hochzeitstag feiern. In unserer Freizeit gehen wir gerne
                                                                                                                                           Fischer,  Diplomaten  und  Botschafter,  Prinz  Albert  von  eine Skitour und im Sommer bin ich am liebsten in meinem
                                                                                                                                           Monaco,  Kardinal  Reinhard  Marx  aus  München,  Marc  Garten unterwegs.
                                                                                                                                           Pircher und viele mehr.
                                                                                                                                                                                                        Zu vielen Glockenweihen habe ich Christof begleitet und
                                                                                                                                           Vielen  verschiedenen  Gruppen  und  Besuchern  habe  ich  ich  habe  mich  stets  bemüht,  ihn  zu  unterstützen.  Um
                                                                                                                                           schon Innsbruck gezeigt, ob blinden Jugendlichen, Film- und  die  50  %  des  Betriebes  vom  Onkel  in  unsere  Familie  zu
                                                                                                                                           Kamerateams aus aller Welt, Reisejournalisten, Schüler- und  kaufen, habe ich mit meinem Erbe geholfen. Unsere Söhne
                                                                                                                                           Studentengruppen aus New Orleans. Man lernt in diesem  investieren viel Zeit und Geld in die Forschung. Wir sind in
                                                                                                                                           Beruf  sehr  viele  verschiedene  Lebensgeschichten  kennen  der 14. Generation tätig. Es hat noch nie so wohlklingende
                                                                                                                                           und schätzen.                                                und  schöne  Glocken  gegeben  wie  jetzt.    Johannes  und
                                                                                                                                                                                                        Peter  haben  das  Museum  errichtet,  können  gesprungene
                                                                                                                                           Wenn  man  spürt,  dass  die  Gäste  zufrieden  sind  und  Glocken  reparieren,  gießen  neben  großen  Glocken  auch
                                                                                                                                           beteuern  mit  Kindern  oder  Freunden  wieder  in  unser  Glockenspiele und Therapie- und Orchesterklangschalen.
                                                                                                                                           schönes  Innsbruck  kommen  zu  wollen,  ist  man  glücklich  Christof führt nach wie vor viele deutschsprachige Gäste
                                                                                                                                           und zufrieden. Mit einem Wort, jede Führung macht Freude!  durch  das  Museum,  französische  und  englische  Gruppen
                                                                                      Jeder Gast ist ein                                   Jeder Gast ist ein besonderer Gast für mich!                 übernehme ich.


                                                                                        besonderer Gast                                    Ihr Mann ist auch vielen Menschen in Tirol                   Würden Sie jetzt etwas anders machen, wenn Sie
                                                                                                                                                                                                        auf Ihr Leben zurückblicken?
                                                                                                         für mich!                         bekannt. Er führte über Jahrzehnte erfolgreich den           Wenn  ich  auf  mein  Leben  zurückblicke,  würde  ich  gar
                                                                                                                                           Familienbetrieb (Glockengießerei). Wie haben Sie
                                                                                                                                           ihn kennengelernt und wie haben Sie sich auch in             nichts ändern.
                                                                                                                                           das Traditionsunternehmen eingebracht?
            ©Die Fotografen
                                                                                                                                                                                                        Was erwarten Sie sich für die Zukunft?
                                                                                                                                           Meinen Mann Christof lernte ich mit 19 Jahren kennen, er     Ich bin täglich dankbar, dass mein Leben so gut verlaufen
           In unserer Frühjahrsausgabe der „HORIZONTe“ haben wir diesmal eine wahre Institution zum Interview gebeten.                     war 21 Jahre. Wir heirateten jung. Mit 26 Jahren hatte ich   ist!
           Elisabeth Graßmayr – sie ist der Inbegriff für eine perfekte Stadtführerin und die Herzlichkeit in Person. Vielen ist sie
           auch als Gattin von Christof Graßmayr ein Begriff.


           Sie waren über Jahrzehnte als Fremdenführerin in            Sommer 3-mal täglich, und sonst 2-mal am Tag stattfand.
           der Stadt Innsbruck und darüber hinaus tätig und            Ich hatte die Verantwortung, dass 365 Tage im Jahr die City
           dabei eine Institution.  Wie sind Sie eigentlich zu         Tour qualitätsvoll geführt wurde. 30 Jahre war ich im Wifi
           diesem Beruf gekommen?                                      tätig. Anfangs unterrichtete ich „Praxis für Fremdenführer“.
           Schon  als  Kind  war  es  mir  immer  eine  Freude,  Gästen  Später, über 20 Jahre, war ich in der Prüfungskommission.
           unsere  Landeshauptstadt  zu  zeigen.  Wenn  wir  daheim  Taxlern  und  Kutschern  lehrte  ich  Heimatkunde,  den
           Besuch  aus  dem  Ausland  hatten,  habe  ich  mich  immer  Bodenlegern und Ofensetzern Stilkunde.
           angeboten, mit ihnen in die Stadt zu gehen. Dabei habe ich   Gab es besondere Erlebnisse oder gar lustige
           andächtig den Führern in der Hofburg, Hofkirche und im      Anekdoten in Ihrer beruflichen Laufbahn und
           Schloss  Ambras  zugehört.  Fremdsprachen  bereiteten  mir   welche besonderen Gäste konnten Sie durch unsere
           ebenfalls  immer  Freude.  Französisch  und  Englisch  lernte   schöne Landeshauptstadt führen?
           ich schon im Gymnasium. Anschließend besuchte ich eine
           einjährige  Haushaltungsschule  in  Frankreich  und  dann  Schnell verfügte ich über einen sehr großen Kundenstock                                                                                Wir wünschen allen
           arbeitete ich 9 Monate als Au Pair in London. Als meine drei  im In- und Ausland. Der Schlüssel zum Erfolg war sicher,                                                                            ein frohes und gesegnetes
           Kinder flügge waren, habe ich mir meinen Traum erfüllt.  dass  ich  mich  stets  auf  die  verschiedensten  Führungen
           Ich war 45 Jahre alt, als ich die Fremdenführer-Prüfung mit  speziell  vorbereitet  habe.    Besatzungssoldaten  aus                                                                                      Osterfest!
           Auszeichnung bestanden habe und sofort bekam ich viele  Frankreich, einen Soldaten aus Amerika, der auf Innsbruck
           Aufträge, vorwiegend französische Reisegruppen zu führen.  Bomben  abgeworfen  hatte  oder  auch  die  Veteranen
           1989 gründete ich in Zusammenarbeit mit der Firma Lüftner  der  „Kaktusdivision“,  die  am  3.  Mai  1945  in  Innsbruck
           und  der  Innsbruck-  Information  die  „City  Tour“,  die  im  einmarschiert waren, habe ich 1995 durch die Stadt geführt.
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